Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung: Allgemeiner Teil

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Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

A. Allgemeiner Teil

A.I Einleitung

Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, einmal in jeder Legislaturperiode einen Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern vorzulegen.1 Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 23. September 2011 eine ebensolche Bitte formuliert.2 Der erste Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern wurde am 16. Juni 2011 veröffentlicht. Der Zweite Gleichstellungsbericht wurde am 7. Juli 2017 veröffentlicht. Hier wird der Dritte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung vorgelegt.

Eine regelmäßige Berichterstattung zum Stand der Gleichstellung in Deutschland ist ein wichtiges Instrument für die Weiterentwicklung einer geschlechtergerechten und fortschrittsorientierten Politik.

Gleichstellung bedeutet die gleichen Verwirklichungschancen von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft. Sie ist Voraussetzung und Motor für nachhaltige Entwicklung und die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.3 Sie ist zugleich eine Aufgabe der gesamten Regierung. So hat die Bundesregierung erstmals im Juli 2020 eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie aufgelegt, in der sich alle Ressorts verpflichten, in ihren Politikbereichen zu mehr Gleichstellung in Deutschland beizutragen.

Für die Bundesregierung ist eine engagierte und innovative Gleichstellungspolitik ein zentrales Handlungsfeld. In der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ist das Ziel der Gleichstellung der Ge-schlechter festgehalten (Ziel 5). Die Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Ziele umzusetzen. Dies gilt auch für den Bereich der Digitalisierung. Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, den digitalen Transformationsprozess aktiv zu gestalten. Hierzu hat sie beispielsweise in der Umsetzungsstrategie „Digitalisie-rung gestalten“ die Gleichstellung als Querschnittsthema verankert. Um beide Ziele zu vereinbaren, ist es ent-scheidend zu erkennen, in welcher Weise sich die Digitalisierung auf die Gleichstellung der Geschlechter aus-wirkt.
Deshalb hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 5. April 2019 eine unabhängige Sachverständigenkommission damit beauftragt, der Frage nachzugehen, welche Weichenstellungen erforderlich sind, damit Frauen und Männer in der digitalen Wirtschaft gleiche Verwirklichungschancen haben. Von dem Gutachten der interdisziplinären Sachverständigenkommission erwartet die Bundesregierung entscheidende Im-pulse zur Gestaltung des digitalen Wandels. Dies ist umso wichtiger, als die Digitalisierung, beschleunigt durch die aktuelle COVID-19-Pandemie, die Menschen mit rasanten Veränderungen konfrontiert, die alle Bereiche des täglichen Lebens betreffen: das Zusammenleben in der Familie und der Gesellschaft, das Lernen, Arbeiten und Wirtschaften und nicht zuletzt die Kommunikation.

Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die elf Expertinnen und Experten unter Vor-sitz von Professorin Aysel Yollu-Tok (HWR Berlin – Hochschule für Wirtschaft und Recht) damit beauftragt, die unterschiedlichen Auswirkungen, Chancen und Risiken des digitalen Wandels auf das Leben von Frauen und Männern in den Blick zu nehmen und konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Die Bundesregierung ist entschlossen, die Chancen für eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft zu nutzen und den Risiken entgegenzu-wirken. Nur so können die Voraussetzungen für gleiche Verwirklichungschancen von Frauen und Männern ge-schaffen werden.

Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Sachverständigenkommission, dass die Digitalisierung vielfältige Chancen bietet, aber auch Risiken birgt. Die Sachverständigenkommission knüpft in ihrem Gutachten zur Leit-frage „Welche Weichenstellungen sind erforderlich, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben?“ an die zentralen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Zweiten Gleichstellungsberichts „Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten“ an, denn „Gleichstellung ist weiterhin ein nicht erreichtes Ziel. Unter den Bedingungen der digitalen Transformation zeigen sich diese Ungleichheiten jedoch neu.“

Aus gleichstellungspolitischer Sicht müssen also nach wie vor Hürden und Barrieren abgebaut werden, die zu Geschlechterungleichheiten führen. Strukturelle Rahmenbedingungen, aber auch gesellschaftliche Werte und Normen sowie Schutzmechanismen müssen so gestaltet werden, dass Menschen, unabhängig vom Geschlecht, ihre Ziele und Wünsche in jeder Lebensphase und in allen gesellschaftlichen Transformationsprozessen besser verwirklichen können. Dies gilt auch für die Digitalisierung.

Das Gutachten spiegelt eine breite Expertise wider. Die Sachverständigen haben es nicht nur auf die gleichen Verwirklichungschancen in der digitalen Wirtschaft fokussiert, sondern weiten ihren Blick auf die digitale Trans-formation der Gesellschaft. Das Gutachten zeigt, dass bei vielen Entwicklungen ein besonderer gleichstellungs-politischer Blick erforderlich ist.

So wurden insgesamt 17 Expertisen in Auftrag gegeben und fünf Hearings im Rahmen der Gutachtenerstellung abgehalten. Zugleich weisen viele Handlungsempfehlungen auf weiteren Erkenntnis- und Forschungsbedarf hin. Insbesondere fehlt es an geschlechterdifferenzierten Daten, vielfach liegen keine genauen Kennzahlen vor.
Die Empfehlungen im Gutachten richten sich an die gesamte Bundesregierung, Länder und Kommunen sowie an Unternehmen, Verbände und zivilgesellschaftliche Organisationen. In der vorliegenden Stellungnahme werden einzelne Aspekte ausgewählt, die insbesondere die Bundesregierung betreffen.

Um die von der Sachverständigenkommission aus den vorangegangenen Gleichstellungsberichten aufgegriffene Lebensverlaufsperspektive auch auf die Nacherwerbsphase zu erstrecken, verweist die Bundesregierung auf den Bericht der Achten Altersberichtskommission „Ältere Menschen und Digitalisierung“. Er enthält maßgebliche Anregungen zur Gestaltung einer Digitalisierung, die für Männer und Frauen in jedem Lebensalter Teilhabe ge-währleistet.

Zahlreiche Maßnahmen zur Erfüllung des Berichtsauftrags werden von der Bundesregierung bereits umgesetzt und sind in ihren finanziellen Auswirkungen im geltenden Finanzplan abgebildet. Alle seitens der Bundesregie-rung befürworteten Maßnahmen oder Prozesse zum Dritten Gleichstellungsbericht stehen, soweit der Bundes-haushalt betroffen ist, unter dem Vorbehalt der Finanzierung und sind daher nur umsetzbar, soweit sie im jewei-ligen Einzelplan beziehungsweise Politikbereich unmittelbar, vollständig und dauerhaft gegenfinanziert werden. Es werden durch den Inhalt des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung weder die laufenden noch künftige Haushaltsverhandlungen präjudiziert.

Die Bundesregierung konzentriert sich in ihrer Stellungnahme auf die Feststellungen und Empfehlungen des Sachverständigenberichts, die ihr von besonderer Bedeutung erscheinen. Zu Aussagen und Schlussfolgerungen, zu denen sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme nicht äußert, kann weder von ihrer Zustimmung noch von ihrer Ablehnung ausgegangen werden.

A.II Struktur und Betrachtungsweise des Gutachtens

1. Voraussetzungen für Chancengleichheit

Der Berichtsauftrag lautet: „Welche Weichenstellungen sind erforderlich, um die Entwicklungen in der di-gitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben?“
Die Sachverständigenkommission konkretisierte den Berichtsauftrag, indem sie sich ausdifferenzierend mit den Bereichen Digitalbranche, digitale Wirtschaft, digitalisierte Wirtschaft sowie der Digitalisierung der Gesellschaft befasste. Diese Bereiche beschreibt das Gutachten griffig und bildhaft als „Zwiebelmodell“, in dessen Mitte mit der Digitalbranche der Treiber der Digitalisierung zu finden ist. Dort werden digitale Technologien entwickelt und gestaltet. Die weiteren Bereiche liegen wie Schichten einer Zwiebel darum angeordnet; abschließend bilden die gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumente den „Nährboden“, der eine gleichstellungsorientierte Digitalisierung befördert und die es daher zu stärken und in Bezug auf die Digitalisierung anzupassen gilt.
Die Sachverständigenkommission nutzte in ihrem Gutachten eine soziotechnische Perspektive. Dies bedeutet, dass Technik in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext unter Berücksichtigung herrschender Geschlechter-verhältnisse betrachtet, beurteilt und aktiv gestaltet werden muss. So eröffnet sich die Chance, die Gleichstel-lungsziele in der Digitalisierung zu erreichen, die die Sachverständigenkommission anknüpfend an den Zweiten Gleichstellungsbericht definiert. Um diese Chance zu realisieren, beschreibt das Gutachten drei Voraussetzungen:

(1) Geschlechtergerechter Zugang zu relevanten Ressourcen. Diese Ressourcen sind mehr als die materielle Ausstattung mit Informations- und Kommunikationstechnologien, sondern auch Ressourcen wie Zeitsou-veränität, Raumsouveränität und informationelle Selbstbestimmung.

(2) Geschlechtergerechte Nutzung digitaler Technologie. Allein der Zugang ist kein Garant dafür, dass Ver-wirklichungschancen tatsächlich und unabhängig vom Geschlecht erreicht werden. Das Gutachten zeigt, dass strukturelle Benachteiligungen, Geschlechterstereotype und Gewalterfahrungen einer geschlechterge-rechten Nutzung im Wege stehen können.

(3) Geschlechtergerechte Gestaltung des digitalen Transformationsprozesses. Wer gestaltet die Digitalisie-rung (nicht)? Eine geschlechtergerechte Gestaltungsmacht in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch in der Technikentwicklung selbst ist eine zwingende Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Gesellschaft.
Das Gutachten beschreibt mit seinen Handlungsempfehlungen Wege, wie die folgenden Gleichstellungsziele in der Digitalisierung erreicht werden können:
» geschlechtergerechte Technikentwicklung
» Zugang zu digitalisierungsbezogenen Kompetenzen unabhängig vom Geschlecht
» Zugang zu digitalisierungsbezogenen Ressourcen unabhängig vom Geschlecht (digitale Technologien und Zeit-, Raum- und informationelle Selbstbestimmung)
» Entgeltgleichheit und eigenständige wirtschaftliche Sicherung durch gleichberechtigte Integration in die digitalisierte Wirtschaft
» Auflösung von Geschlechterstereotypen in der digitalisierten Wirtschaft
» Geschlechtergerechte Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit in der Digitalisierung der Gesellschaft
» Abbau von Diskriminierung und Schutz vor geschlechtsbezogener Gewalt in analogen und digitalen Räu-men
» Geschlechtergerechte Gestaltungsmacht in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft

2. Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen

In ihrem Gutachten stellen die Sachverständigen fest, dass der Zugang zur Digitalisierung durch geschlechtsbe-zogene Ungleichheiten und Barrieren gekennzeichnet ist. Hierzu tragen nach vorliegendem Gutachten insbeson-dere der mangelnde Einbezug der Perspektiven und Bedarfe vielfältiger Nutzerinnen und Nutzer, mangelhafte und unvollständige Datensets und Modelle, fehlende Technikfolgenabschätzung, insbesondere für vulnerable und marginalisierte Personengruppen, fehlende Kenntnisse über soziale Ungleichheiten und keine oder unzureichende Kenntnisse darüber, wie soziale Aspekte im Technischen zu adressieren sind, bei.

Die Bundesregierung wird die Lage der vulnerablen und marginalisierten Personengruppen weiter beleuchten, da insbesondere im Zusammenwirken der Strukturmerkmale „Geschlecht“ und „Behinderung“ Disparitäten bestehen. Nach § 2 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sind die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei werden Fördermaßnahmen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderungen explizit genannt.
Digitale Transformationsprozesse bieten neue Chancen für Frauen und Männer mit Behinderungen und ermöglichen je nach Kontext, Art und Weise der Behinderung und Lebensbereich, teilweise mehr Teilhabe, zum Beispiel im Kontext von Erwerbsarbeit oder der sozialen Vernetzung. Durch die zunehmende Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche können sich aber auch neue Hürden ergeben, zum Beispiel aufgrund nicht vorhandener oder nicht funktionierender Technik, fehlenden Know-hows oder einer erschwerten, da technikbedingten Kommunikation. Die neuen Teilhabemöglichkeiten wie die neuen Hürden sind neben bestehenden strukturellen Benachteiligungen in den Blick zu nehmen, um die Realisierung gleicher Verwirklichungschancen zu befördern.

A.III Zur Auswahl der in der Stellungnahme betrachteten Empfehlungen des Gutachtens

Das Gutachten zeigt, dass bei vielen Entwicklungen im Rahmen der digitalen Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft ein besonderer gleichstellungspolitischer Blick Vorteile bringt. Die Bundesregierung begrüßt, dass die Sachverständigenkommission über den Berichtsauftrag hinaus auch die Auswirkungen der digitalen Transfor-mation auf die Gesellschaft in den Blick genommen hat. Die im Folgenden aufgeführten Dokumente untermauern die in der Stellungnahme der Bundesregierung ausgewählten Handlungsempfehlungen und dienen zugleich als Begründung für die getroffene Auswahl.

1. Zweiter Gleichstellungsbericht

Im Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung diente die gleichstellungsorientierte Gestaltung von Er-werbs- und Sorgearbeit als roter Faden. Zudem hatte die Sachverständigenkommission aktuelle Herausforderun-gen der Gleichstellungspolitik aufgegriffen, die quer zu diesem roten Faden laufen. Dazu zählte auch die „gleich-stellungsorientierte Gestaltung der digitalen Arbeit“.

Die Sachverständigenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht stellte bereits fest, dass der technologi-sche Umbruch Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen und Männern neu verteilt und stellte sich die Frage, wie bei fortschreitender Digitalisierung eine geschlechtergerechte Verteilung von Chancen und Risiken gewährleistet werden kann. In der Möglichkeit des mobilen Arbeitens erkannte sie einerseits erweiterte Spiel-räume für die Balancierung zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit, andererseits gesundheitliche Risiken durch zeit-liche und räumliche Entgrenzung, ständige Erreichbarkeit und Überlastung sowie die Gefahr der Verfestigung einer ungleichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern. Daran knüpft der Dritte Gleichstellungsbericht an.

Auch die Plattformökonomie und ihre gleichstellungspolitischen Folgen wurden bereits im Zweiten Gleichstel-lungsbericht aufgegriffen und die fehlende soziale Absicherung, der hohe Zeitdruck und die Gefahr der Prekarität thematisiert.

Digitale Gewalt wurde im Zweiten Gleichstellungsbericht vor allem mit Bezug auf Menschen betrachtet, für die das Internet zu einem Arbeitsraum geworden ist. Die Gruppe dieser Menschen ist dem Risiko von Gewalt im Netz (Cyber-Harassment) und wirtschaftlichen Einbußen durch Hasskommentare und Hasskampagnen ganz besonders ausgesetzt. Im Dritten Gleichstellungsbericht wird die digitale Gewalt in ihrer Bandbreite betrachtet.

2. Ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie

Auf den Zweiten Gleichstellungsbericht aufbauend wurde in der ersten Gleichstellungsstrategie der Bundesregie-rung vereinbart, auch in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt gleichstellungspolitische Standards zu setzen.
Hier wird insbesondere auf die zunehmende Bedeutung der Nutzung von Daten und den Einsatz algorithmischer Systeme hingewiesen. Die Ungleichheit der Geschlechter könnte im Zuge zunehmend datenbasierter und auto-matisierter Entscheidungsfindung wieder ansteigen, beispielsweise durch Datensätze, in denen sich Diskriminie-rungen widerspiegeln und/oder diskriminierende Algorithmen. Dieselben Mechanismen können bei kluger Regu-lierung aber auch zum Abbau von Geschlechterungleichheiten beitragen.

Immer leistungsfähigere IT-Systeme, steigende Internetnutzung, besser entwickelte Robotik und Sensorik, neue Produktionstechniken und die wachsende Bedeutung von Big Data, die ständige Verfügbarkeit von Informationen und die Veränderung von Kommunikation gehen mit flexibleren und vielfältigeren Möglichkeiten von Arbeit, Automatisierbarkeit von Routinetätigkeiten sowie der Veränderung von beruflichen Anforderungen und Arbeits-inhalten einher – bis hin zum Verschwinden von Berufen und zur Entstehung neuer Berufsbilder.

Umso wichtiger ist es, Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt in ihren Auswirkungen auf die Beschäftigungs-möglichkeiten, Qualifizierungsbedarfe und Verwirklichungschancen frühzeitig zu erfassen, um neuen Ungleich-heitsdynamiken entgegenwirken zu können.

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurde und wird mobile Arbeit in größerem Umfang praktiziert. Für eine geschlechtergerechte dauerhafte Lösung müssen die Notwendigkeiten und Voraussetzungen aus Sicht der Vereinbarkeit sowie aus Sicht der Abgrenzung von Erwerbs- und Sorgearbeit berücksichtigt werden.

Mit Blick auf Tätigkeitsformen wie Plattformmodelle und Crowdworking stellt die Bundesregierung in der Gleichstellungsstrategie fest, dass Plattformunternehmen häufig nicht nur vermitteln, sondern – etwa über Zu-gangsbarrieren und Reputationsmechanismen – Einfluss auf die Art und Weise der Dienstleistungserbringung nehmen. Trotzdem lehnen sie eine Stellung als Arbeitgeber vielfach ab und übernehmen keine Verantwortung und Haftung für ihre Vermittlungstätigkeit und die von ihnen vermittelten Dienste. Auch hier müssen faire Tätigkeitsbedingungen gewährleistet sein, zum Beispiel durch eine stärkere Verantwortung und Haftung von Plattformen.

Auch in der Entwicklung digitaler Anwendungen, der sogenannten Apps, werden Gleichstellungsaspekte selten berücksichtigt beziehungsweise kann deren Berücksichtigung nicht überprüft werden. Ein erster Schritt wäre, Potenziale und Bedarfe von Frauen und Männern in Entwicklungsprozesse einzubeziehen – auch indem Frauen und Männer gleichermaßen an diesen Prozessen arbeiten. Doch bereits bei der Berufswahl ist eine Unterrepräsen-tanz von Frauen im zur Digitalisierung gehörenden MINT-Bereich zu beobachten.

Die Bundesregierung sieht sich in der Verantwortung, die Digitalisierung weiterhin aktiv und unter Einbeziehung der Sozialpartner zu gestalten.5 Die Digitalisierung verändert nicht nur Tätigkeiten, Unternehmensstrukturen, die Arbeitskräftenachfrage und die (internationale) Arbeitsteilung, sondern auch die Arbeitsorganisation. Sie bietet Chancen bei der Neugestaltung der Arbeit und kann zum Beispiel Eltern helfen, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.

Als Leitmaßnahmen für die Gleichstellung in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt werden in der Gleichstel-lungsstrategie benannt:
» Dritter Gleichstellungsbericht
» Verhinderung unzulässiger Diskriminierungen beim Einsatz algorithmenbasierter Entscheidungen
» Überprüfung des Arbeitsschutzes in der digitalen Arbeitswelt
» Überprüfung des Diskriminierungsschutzes in der digitalen Arbeitswelt
» Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern auf Plattformen sowie Plattformtätigen

3. Umsetzungsstrategie Digitalisierung und Datenstrategie der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat mit der Digitalen Agenda 2014 bis 2017 und den Berichten der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages (2010 bis 2013) digitalpolitische Grundlagen geschaffen. In dieser Legislaturperiode geht es vor allem um die gemeinsame strategische Umsetzung der digital-politischen Maßnahmen.

Dabei wurde auf ein eigenes Handlungsfeld „Gleichstellung“ verzichtet, Gleichstellung jedoch als durchgängiges Leitprinzip formuliert.

Dieses erfährt durch die im Folgenden angesprochenen Punkte aus dem Gutachten der Sachverständigenkommis-sion für den Dritten Gleichstellungsbericht eine Ergänzung und Präzisierung.

Die Datenstrategie der Bundesregierung hat zum Ziel, innovative Datennutzung in Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu erhöhen. Hierdurch soll nachhaltiges Wachstum und Wohlstand in Deutschland gefördert und den Herausforderungen von missbräuchlicher Datennutzung begegnet werden. Dazu gehört unter anderem, Ge-fahren für Selbstbestimmung, das demokratische Gemeinwesen oder potentieller Diskriminierung offensiv zu be-gegnen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Vermittlung der für eine souveräne Beteiligung notwendigen Kompetenzen eine wichtige Voraussetzung.

4. Koalitionsvertrag

Mit der Auswahl der Aspekte aus dem umfangreichen Gutachten der Sachverständigen sollen zudem Punkte auf-gegriffen werden, die im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode vereinbart wurden. Diese sind zum Beispiel:
» Wir wollen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher Algorithmen- und KI-basierte Entscheidungen, Dienstleistungen und Produkte überprüfbar machen, insbesondere im Hinblick auf mögliche unzulässige Diskriminierungen, Benachteiligungen und Betrügereien. Wir werden Mechanismen entwickeln, um bei bedenklichen Entwicklungen tätig werden zu können.6
» Wir wollen den Arbeitsschutz insbesondere mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung über-prüfen. Die vorliegenden Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, besonders mit Blick auf psychische Erkrankungen, sollen dazu ausgewertet werden.
» Diskriminierungsverbote der analogen Welt müssen auch in der digitalen Welt der Algorithmen gelten.
» Wir setzen uns für ein level playing field ein, dazu gehören auch die Rechte von Beschäftigten und Ver-brauchern. Dazu werden wir die Mitwirkung der Plattformen einfordern.
» Für uns [ist] die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern […] eine Verpflichtung, die sich durch die gesamte Regierungsarbeit ziehen muss.
» Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen.11
» Angesichts der Herausforderungen und Veränderungen durch die Digitalisierung und die Globalisierung in unserer Gesellschaft wollen wir eine neue Arbeitsweltberichterstattung entwickeln, die Sozialstaatsfor-schung wieder verstärken und die sozialpartnerschaftlich ausgerichtete „Initiative Neue Qualität der Ar-beit“ fördern und fortentwickeln.

5. Europäische Digitalstrategie

Am 9. März 2021 präsentierte die Europäische Kommission eine Zielvorstellung und Wege für den digitalen Wandel in Europa bis 2030. Diese Zielvorstellung für das digitale Jahrzehnt der EU dreht sich um die vier Kern-punkte „Kompetenzen“, „Sichere und nachhaltige digitale Infrastruktur“, „Digitaler Wandel in Unternehmen“ und „Digitalisierung öffentlicher Dienste“. In der Mitteilung der Europäischen Kommission „Gestaltung der di-gitalen Zukunft Europas“ vom 19. Februar 2020 wird unter dem Hauptziel „Technologie im Dienste der Men-schen“ formuliert: „Mehr Frauen werden eine attraktive Berufslaufbahn im Technologiebereich einschlagen kön-nen und müssen, und die Fähigkeiten und Kompetenzen von Frauen müssen den europäischen Technologieunter-nehmen zugutekommen.“

Zudem wird ebenfalls in der Mitteilung „Digitaler Kompass 2030: der europäische Weg in die digitale Dekade“ vom 9. März 2021 das Thema der digital qualifizierten Bevölkerung und hochqualifizierter digitaler Fachkräfte aufgegriffen. So ist es ein vorgeschlagenes Ziel für 2030, dass in der EU 20 Millionen IKT-Spezialistinnen und -spezialisten beschäftigt sind, wobei Konvergenz zwischen Frauen und Männern bestehen soll.

Die Europäische Kommission wird in Kürze einen breiten Diskussions- und Konsultationsprozess mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger über die Zielvorstellung und die Digitalgrundsätze der EU einleiten. Die Bundesre-gierung wird den Dritten Gleichstellungsbericht hier einbringen.

6. Gender Equality Index des European Institute for Gender Equality

Die Bundesregierung begrüßt es, dass das European Institute for Gender Equality (EIGE) den Gender Equality Index 2020 (GEI) unter das Schwerpunktthema „Digitalisierung und Zukunft der Arbeit“ gestellt hat. Viele der von EIGE angesprochenen Aspekte der Digitalisierung werden im Rahmen des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung aufgegriffen.

Das EIGE thematisiert die auch in Deutschland diskutierten und in der Studie „Digital Gender Gap“ der Initiative D2114 angesprochenen Geschlechterunterschiede in digitalen Kompetenzen, der Nutzung digitaler Technologie sowie dem unterschiedlichen Selbstvertrauen und der unterschiedlichen Selbsteinschätzung bezüglich digitaler Kompetenzen. Die Wahrnehmung des lebenslangen Lernens sei bei Frauen wegen der Vereinbarkeit mit familiä-ren Aufgaben oft schwieriger. Daraus folgert EIGE die politische Notwendigkeit, die Genderstereotypen und den Gender Gap in den Digitalkompetenzen zu adressieren und bekämpfen.

Ein zweiter wesentlicher Aspekt im EIGE-Bericht ist die digitale Transformation der Arbeitswelt. Hier werden insbesondere folgende Schwerpunkte benannt:
» Wandel der Berufe
» Wegfall bestimmter Berufe/Tätigkeiten durch Automatisation und Digitalisierung,
» Plattformökonomie
Bezüglich der Plattformökonomie fordert das EIGE, politische Rahmenbedingungen für die Plattformarbeit zu schaffen, hinsichtlich des Pay Gaps, der Geschlechtergleichheit, der Vermeidung von Geschlechterdiskriminie-rung, des Zugangs zu sozialer Sicherung, Elternzeit und Altersversorgung, flexibler Arbeitsarrangements der Ver-meidung von Ausbeutung und dem Schutz vulnerabler Gruppen. Grundlage dafür seien zweitens wissenschaftlich fundierte Daten zur Plattformarbeit.

Drittens wird dazu aufgerufen, Cybergewalt zu bekämpfen.

7. Zusammenfassung: Grundlagen für die Gleichstellungspolitik zur Digitalisierung

Der Dritte Gleichstellungsbericht baut auf den im Zweiten Gleichstellungsbericht skizzierten Handlungsfeldern auf. Die in der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie auf dessen Basis und auf den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag festgehalten Maßnahmen können die Empfehlungen der Sachverständigenkommission ebenso ergänzen wie die Umsetzungsstrategie Digitalisierung. Um darzustellen, wie die Empfehlungen aus dem Dritten Gleichstellungsbericht an wichtige Arbeitsstränge der Bundesregierung anschließen und wo notwendige Ergänzungen sichtbar werden, sollen aus den Handlungsempfehlungen insbesondere diejenigen für die Stellung-nahme aufgenommen werden, die an die politische Agenda der Bundesregierung anschließen beziehungsweise sie unter Digitalisierungsaspekten fortschreiben:

(1) Mehr Teilhabe von Frauen in der Digitalbranche

(2) Berufliche Selbstständigkeit in der Digitalbranche

(3) Plattformökonomie

(4) Digitalisierter Arbeitsmarkt

(5) Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit in der digitalen Transformation der Arbeitswelt, hier: Aus-wirkungen des Homeoffice auf die Verteilung unbezahlter Sorgearbeit sowie Aspekte wie Gesundheits-schutz, Entgrenzung, rechtlicher Rahmen

(6) Soziale Medien

(7) Geschlechtsbezogene digitale Gewalt

(8) Stärkung gleichstellungspolitischer Strukturen
Darüber hinaus ziehen sich Forschungs- und Erkenntnisbedarfe sowie digitaler Kompetenzerwerb als weitere Themen wie ein roter Faden durch das Gutachten.


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Red 20230926

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